Regie­rung ver­zich­tet auf 2 Milliarden Euro Umlagen bei Atom- und Kohle­kraft­werken

als Gastkommentar erschienen im Greenpeace Blog am 27.01.2014

Regierung verzichtet auf 2 Milliarden Euro Während Photo­voltaik- und Wind­kraft­anlagen die sogenannte EEG-Umlage ent­richten müssen, wenn sie Strom aus dem Netz beziehen, sind Braun­kohle­bagger davon befreit. Diese Subvention beläuft sich für die klimaschädlichen Braunkohle inzwischen auf geschätzte 200 Millionen Euro. Dieses Ungleichgewicht soll sogar noch deutlich ausgeweitet werden. Während Betreiber von regenerativen Anlagen künftig auch Umlagen entrichten sollen, wenn sie ihren Strom selbst verbrauchen, bleiben Atom- und Kohlekraftwerke davon weiterhin verschont. Zahlen müssen das wie immer die Stromkunden.

Bislang konnten alle Betreiber von Kraftwerken ihren selbst erzeugten Strom ohne jegliche Abgaben auch selbst verbrauchen. Abgaben und Umlagen wurden nur für Strom aus dem Netz fällig. Für die Errichtung neuer Photo­voltaik­anlagen ist dieses Eigenstromprivileg inzwischen von grundlegender Bedeutung. Die EEG-Vergütung für neue Photo­voltaik­anlagen wurde auf weniger als die Hälfte der Haushalts­strompreise reduziert. Nur in Einzelfällen können damit noch Anlagen wirtschaftlich betrieben werden. Wird ein Teil des erzeugten Solar­stroms selbst genutzt, lässt sich der Bezug von teurem Netzstrom reduzieren. Das erhöht die Wirtschaftlichkeit der Anlagen und macht viele Solarprojekte überhaupt erst rentabel.

Genau hier setzt ein weiterer Kürzungsplan der Regierung an. Neue regenerative Anlagen sollen auf selbst verbrauchten Strom künftig 70 Prozent der EEG-Umlage zahlen. Das wären derzeit 4,4 Cent pro Kilowattstunde. Nur sehr kleine Anlagen von weniger als 8 bis 10 Kilowatt sollen davon verschont bleiben. Das dürfte die Wirtschaft­lichkeit vieler Photovoltaik­projekte zerstören oder die Planer zumindest dazu zwingen, wesentlich kleinere Anlagen zu bauen. Viele Dächer blieben ungenutzt. In einigen Jahren müssten wir dann die für die Energiewende benötigten Anlagen auf Freiflächen nachrüsten. Dabei hat der Eigenverbrauch generell enorme Vorteile für die Energiewende. Die Anlagen werden genau dort gebaut, wo auch der Strom verbraucht wird. Das reduziert den Bedarf an neuen Leitungen. Und um den Eigenverbrauch zu erhöhen, werden in vielen neuen Photo­voltaik­anlagen inzwischen für die Energiewende dringend benötigte Batteriespeicher eingebaut. Auch das wird durch die geplante Umlage signifikant behindert.

Ein Argument der Regierung für die Eigenverbrauchsumlage ist, dass auch viele Industriebetriebe eigene Kraftwerke errichten. Oft sind das Gas- und Kohlekraftwerke. Dadurch sparen sie ebenfalls alle Abgaben. Immer weniger Stromkunden beteiligen sich deshalb an den allgemeinen Kosten der Stromversorgung, wodurch die Energiewende für die Haushalte immer teurer wird. Um den Trend für neue umlagefreie fossile Kraftwerken zu stoppen, hat die Umlage durchaus eine Berechtigung. Eine Kohlendioxidabgabe könnte die Entwicklung aber viel wirksamer steuern, ohne den Ausbau regenerativer Kraftwerke und damit die Energiewende zu torpedieren.

Stattdessen werden auch noch große Atom- und Kohlekraftwerke von der neuen Eigen­verbrauchs­umlage gezielt ausgenommen. In den Planungen heißt es ausdrücklich: "Zukünftig wird im Grundsatz die gesamte Eigenstromerzeugung an der EEG-Umlage beteiligt. Nicht erfasst wird der so genannte Kraftwerkseigenverbrauch." Wenn also Bauer Müller eine 30-Kilowatt-Solaranlage auf seiner Scheune errichtet und seinen Solarstrom selbst zum Kochen oder für das Licht in der Scheune nutzt, soll er zukünftig dafür die Umlage entrichten. Die Kantine und die Beleuchtung des Atom- oder Kohlekraftwerk nebenan bleiben aber weiterhin davon verschont.

Durch die geplante Eigenverbrauchs­umlage wird somit die Wirtschaft­lichkeit von Solaranlagen zugunsten der Atom- und Kohlekraftwerke weiter verschlechtert. Dabei hat der Kraftwerks­eigen­verbrauch einen enormen Umfang. Rund 35 Milliarden Kilowattstunden werden in Deutschland von den großen Kraftwerken selbst umlagefrei verbraucht. Würde man darauf die volle EEG-Umlage von 6,24 Cent pro Kilowattstunde erheben, ließen sich über 2 Milliarden Euro erlösen. Dieser Betrag könnte direkt zur Reduktion der EEG-Umlage genutzt werden. Diese ließe sich dadurch um gut 0,5 Cent pro Kilowattstunde senken. Damit würde ein Durchschnittshaushalt bei einem Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden pro Jahr immerhin um 18 Euro entlastet.

Dass die Umlage auf Solaranlagen wenig bringen wird, hat die Regierung bereits selbst erkannt. Herr Gabriel hatte schon angekündigt, dass er mit seinen Planungen für die Korrektur des Erneuerbaren Energien Gesetztes (EEG) keine sinkenden Strompreise erwartet. Bleibt die Frage, warum die Regierung nicht einmal drüber nachdenkt, eine Umlage auf den Eigenverbrauch von Atom- und Kohlekraftwerken zu erheben, um damit eine wirkliche Entlastung der Stromkunden zu erreichen. Das zeigt deutlich, dass die Regierung nicht wirklich an einer Entlastung der Stromkunden interessiert ist. Es geht viel mehr darum, die Atom- und Kohlekraftwerke der großen Energiekonzerne gegen die regenerative Konkurrenz zu schützen. Dafür ist inzwischen auch jede noch so absurde Maßnahme recht. Möglicherweise sollen damit sogar die Weichen für eine erneute Laufzeitverlängerung von Atom­kraftwerken gestellt werden. Warum sich die SPD derart für die großen Energiekonzerne ins Zeug legt, bleibt schleierhaft. Ihr Engagement gleicht dem Einsatz der FDP für die Hoteliers zu Beginn der letzten Regierungsamtszeit. Und wo sich die FDP heute befindet, wissen wir alle.

Volker Quaschning

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